Beim Aufladen ihrer Flottenfahrzeuge setzen Sharing-Anbieter auf unterschiedliche Lösungen. So berichtete die Süddeutsche Zeitung am 08.07.2019, dass für den Kickscooter-Anbieter TIER ein Logistikpartner die über die Stadt verteilten Roller abends einsammelt, die Fahrzeuge zentral lädt und wartet und anschließend wieder in der Stadt aufstellt. Konkurrent Lime setzt nach Angaben der Zeitung dagegen aktuell ein eigenes Service-Team für diese Aufgabe ein, will in Zukunft aber selbständige sogenannte “Juicer” beschäftigen, die sich um das Laden der Roller kümmern.
Ob E-Bike, Roller oder E-Scooter: Ohne aufgeladene Akkus steht die Flotte von E-Sharing-Anbietern still. Da das Laden der Fahrzeuge eine der größten Kostenpositionen im Geschäftsmodell E-Sharing-Mobility darstellt, ist eine kosteneffiziente Lösung ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil.
Welche Lösungen sind aber mit dem deutschen Arbeitsrecht vereinbar? Ist das von einigen Anbietern geplante und von anderen bereits praktizierte Modell, selbständige Kleinstgewerbetreibende (sogenannte „Juicer“) mit dem Laden der Batterien zu beauftragen, rechtskonform? Attraktiv ist aus Sharing-Anbieter-Sicht beim Einsatz von “Juicern”, dass für “echte” Freelancer u.a. kein Mindestlohn gezahlt werden muss, keine Sozialabgaben abgeführt werden müssen und diese keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub sowie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall haben. Doch ist es überhaupt rechtlich zulässig selbständige Juicer anstatt sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter einzusetzen? Die Frage dürfte mit dem wachsenden Geschäft in den nächsten Wochen und Monaten noch an Brisanz gewinnen.
Für die Beurteilung, ob ein Juicer tatsächlich als Selbständiger oder als sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter zu behandeln ist, kommt es maßgeblich darauf an, ob er weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit leistet. Für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit spricht es, wenn der Juicer in der Gestaltung seiner Tätigkeit und der Auswahl seiner Arbeitszeit frei ist und ein gewisses unternehmerisches Risiko trägt. Ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis liegt hingegen dass vor, wenn der Juicer in die Arbeitsorganisation des Anbieters eingegliedert ist und einem Weisungsrecht unterliegt, das Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit bestimmt.
Die ersten verfügbaren Erfahrungsberichte von Juicern legen nahe, dass diese bislang ohne Vorgaben der Anbieter frei darüber entscheiden können, ob und wieviele Fahrzeuge sie an Tagen ihrer Wahl einsammeln und aufladen. Statt auf Weisungen setzen die Anbieter auf Anreize wie Bonuszahlungen, um die Juicer dazu zu bewegen, möglichst regelmäßig möglichst viele Fahrzeuge zu laden. Doch mit wachsendem Erfolg und einer größer werdenden Fahrzeugflotte, wächst auch der Druck auf die Anbieter sicherzustellen, dass die Fahrzeuge täglich voll geladen und einsatzbereit sind. Wenn monetäre Anreize dann nicht mehr ausreichen, könnten es Anbieter für notwendig erachten, “ihren” Juicern Vorgaben zum Einsatzgebiet, zu Einsatzzeiten und zur Anzahl der zu ladenden Fahrzeuge machen. Hierbei ist jedoch große Vorsicht geboten, da die selbständigen Juicern sonst schnell als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte (Scheinselbständige) angesehen werden können.
Die Folgen der Beschäftigung von Scheinselbständigen sind nicht zu unterschätzen. Neben Gehaltsnachforderungen des Juicers (Mindestlohn) drohen Nachzahlungen an die Sozialversicherungen bis hin zu strafrechtlichen Folgen auf Grund des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB). Abmahnungen von Mitbewerbern wegen der Beschäftigung von Scheinselbständigen dürften wenig Erfolg versprechen, da die aktuelle Rechtsprechung die Verfolgung derartiger Verstöße (noch) den dafür zuständigen Behörden (Deutsche Rentenversicherung, Zoll) überlässt.